Наградата „Венцислав Занков”

The Ventsislav Zankov Award

Der “Ventsislav-Zankov-Preis“

Haimi Fenichel 1972, Israel „Horror Vacui“ /Die Angst vor der Leere/ , 2008 Der große „Venzislav Zankov - Preis aus dem Projekt „Alles über den Mann“ für 2008

"Horror Vacui”

Das Geheimnis der totalen Abwesenheit und die Angst vor der Leere

 

Auf dem ersten Blick nichts Ungewöhnliches, ein banales und langweiliges Bild – an einer Wand sind akkurat und griffbereit diverse Utensilien geordnet. Der Blick streift durch die Regale. Ungewollt fangen wir an zu raten, was wofür dienen soll. Allmählich wird unsere Neugierde erweckt und wir fragen uns, wer deren Besitzer sein mag, was er mit ihnen gemacht haben könnte, wie die Ergebnisse sind, was für Absichten er wohl hat... So stoßen wir langsam auf ein Puzzle von Intentionen, dezent leise, aber gleichzeitig klar ausgedrückt in den Funktionen und Potenzen der vorhandenen Gegenstände. Wir neigen dazu, uns diese in Aktion vorzustellen. Wir wollen ihre Bestimmung erraten. Wir versuchen, uns ein Psychogramm des Besitzers dieser Gegenstände zu machen. Es ist keine Frau. Eindeutig ist das ein Mann. Der Titel gibt uns eine Richtung – „Die Angst vor der Leere“ kann eine Metapher sein. Wir begreifen, dass diese Abbildung dieser einen Wand ein eigenartiges Selbstportrait sein könnte. Ein Selbstbildnis als ein Stillleben. Ein Stillleben akkurat geordneter Werkzeuge eines Mannes. Dahinter steckt ein Beruf, ein Handwerk. Jedes Werkzeug weist auf eine genaue Bestimmung hin, auf seinen Willen und seine Herangehensweise an die Realität, an die Natur und ihre Vermenschlichung.

 

Die Pflege des Instruments und seine Haltung in steter Griffbereitschaft ist eine vorrangig männliche Beschäftigung, die auf die Intentionen des Mannes hindeutet, in die Dinge eindringen zu wollen, sie zu erkunden, zu bemessen, zu begreifen, zu bearbeiten, zu kultivieren, um auf diese Weise die Realität zu bezwingen. Mit welcher Absicht? Es fehlen gänzlich Hinweise dafür, wie wir diese makellos geordneten Gegenstände in der Zeit einordnen sollten – am Anfang des Dranges nach Taten oder nach dem Ende deren Vollendung. Sie sind außerhalb der Zeit eingeordnet worden – in der Pause und in der Depression, sie lenken den Blick auf die Zeit zwischen dem schon Vollbrachten und dem noch nicht Begonnenen, sie sind präsent, indem sie in das Vakuum nach dem Ende und vor dem Anfang geraten sind. In der Perfektion, in dem Drang nach der totalen Ordnung und der Überkontrolle macht sich in der makellos geordneten Wirklichkeit versteckt der Chaos bemerkbar: ein Fläschchen ist „zufällig“ umgekippt, die stehen gebliebene Zeit beeinträchtigend. Die Flüssigkeit fließt aus mit der fließenden Zeit und erstarrt. Was geschieht, nachdem die Zeit abgelaufen ist? Dorthin führt das ruhige Dasein des Stilllebens, in die des Todes eigene Zeit; in die Melancholie, die Depression, in den ewig dauernden Augenblick des verlorenen, in die Leere nach dem Ende und vor dem Beginn abgestürzten menschlichen Sinns.

 

Der Mann hat sich zurückgezogen, indem er seine akkurat geordneten Utensilien ihnen selbst überlassen hat – in der entstandenen Leere nach dem Ende und vor dem Beginn der ihnen sinngebenden Tat. Er selbst kann durch seine Abwesenheit dieses Stehen lassen dokumentieren. Es gelingt ihm, dieser Dokumentation sein eigenes Ich zugrunde zu legen, was er mit der versteckten „geheimen“ Selbstabbildung besiegelt. Irgendwo dort zwischen den Regalen in einen zufällig hingestellten Spiegel sehen wir ein menschliches Gesicht, das des Künstlers, der in diesem Zimmer doch anwesend ist. Er ist hier und zeigt uns dezent durch sein Spiegelbild inmitten seiner Werkzeuge, dass wir bereits mit seinen Augen alles betrachten. Können wir das eigentlich? An den über dem Schreibtisch befestigten Zeitungsausschnitten und Zeichnungen versuchen wir, die Eigenarten dieser Person zu ergründen – vielleicht das Bestehen eines forschenden Interesses wie bei einem Renaissancekünstlers an dem anormal Körperlichen und an dem universell Menschlichen. Ob sich „die Angst vor der Leere“ möglicherweise schmerzhaft in dem hypertrophierten Interesse an der reinen Präsenz als Formbildung, an hypertrophierten menschlichen Körpern, an der erschaffenen Überpräsenz im Überdimensionalen äußert. Die Zettel an der Pinwand können uns nicht weiter helfen, denn die Texte sind auf Hebräisch geschrieben. Ein schwieriger Code.... Wiederum dort auf einem kleinen Bild sieht man dieselbe Wand am Anfang oder vor dem Anfang, nackt und leer, Unordnung herrscht auf dem Boden. Das als Bestandteil der Ordnung aufgehängte Bild zeugt von dem Beginn des Aufbaus einer Welt, einer männlichen Welt der Absichten und Depressionen, der Schubläden und Werkzeuge, der durch die Worte und den Willen zur Tat gekennzeichneten Ordnung und Nominierung der Dinge. Es gibt keinen Leerraum.

 

Dieses Stillleben einer Männerwelt gibt uns zu verstehen, dass wir, um das sensible Erscheinungsbildes des „Mannes von heute“ nachvollziehen zu können, eine aufmerksame und feinfühlige Betrachtungsweise und einen neuen Schlüssel bräuchten, um das scheinbar Banale zu durchbrechen. „Horror Vacui“ ist ein möglicher Schlüssel, mit dem wir die abwesende Figur des Mannes durch den Spalt, der sich nach dem Ende und vor jeglichem Beginn aufklaffenden zeitlosen Leere entdecken können, vorausgesetzt, wir sind bei dieser Begegnung in der Lage, unsere Angst vor der Leere zu überwinden.

 

 

Ventsislav Zankov

Sofia 2008

 

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