Die aktuelle Kunstszene Bulgariens im Koblenzer Museum Ludwig

Entwurf für eine Fahne aus lauter lädierten Zähnen
Die aktuelle Kunstszene Bulgariens im Koblenzer Museum Ludwig / Von den vorsichtigen 80ern zur provokativen Gegenwart





Vom 24.09.2008

Von
Jens Frederiksen

KOBLENZ Bulgarien? Das Koblenzer Museum Ludwig hat jetzt, nach Westöffnung des Landes und EU-Beitritt, die bulgarische Gegenwartskunst in den Blick genommen. Das Ergebnis ist die Ausstellung "Aktuelle Szene Bulgarien". 43 Künstler sind hier zusammengeführt - 43 Rebellen und Neuerer, die auch in ihrem Heimatland noch nie unter einem Dach gezeigt wurden. Und: Das Ergebnis ist mehr als interessant.

Es gibt eine Vorgeschichte zu dieser von Museumschefin Beate Reifenscheid kuratierten Schau. Bereits in den 80er Jahren hatte der Kunstsammler Peter Ludwig in bulgarische Kunst investiert. Da hielt der Eiserne Vorhang noch, und Bulgarien lag am Ende Europas. Eine Auswahl aus diesem Teil der Ludwig-Sammlung sorgt denn auch für den Aufgalopp zu der aktuellen Bulgarien-Ausstellung - das Erdgeschoss ist Arbeiten von 1978 bis 1996 vorbehalten.

Der erste Blick des Besuchers geht denn auch vorbei an einer Trachtenpuppe in bulgarischem Rot-Grün-Weiß auf ein brauntoniges, von kaltem Pathos getragenes Gemälde Kalina Tassevas - "Bulgarische Mütter" -, das einem behutsam stilisierten Realismus verschrieben ist, der unter dem Diktat des sozialistischen Realismus wohl schon als kleine Kühnheit galt. Weiteres erinnert an Picasso, Zadkine und Brancusi. Die besten Arbeiten sind eine collage-artige Malerei von Teofan Sokerov von 1983 und eine auf 34 Bilderrahmen verteilte Sammlung klassischer Bildzitate von Dürer bis Moreau aus dem Atelier eines Stars der bulgarischen Gegenwartsszene, Nedko Solakov.

Spannender wird´s im ersten Stock. Die aktuell angesagten bulgarischen Maler haben dort ihr Forum. Einer - Ventsislav Zankov - lässt einen blutrünstigen Hund mit bedrohlichem Schattenwurf über einen leeren Platz stürmen. Ein zweiter - Kiril Cholakov - präsentiert eine Endlos-Reihe fotorealistisch abgemalter Zähne als "Projekt für eine neue bulgarische Fahne".

Die lohnendsten Arbeiten freilich warten im zweiten Stock. Fotografie, Installation, auch die ganz junge Malerei stehen hier auf dem Programm. Eindrucksvoll Pepa Hristovas realistische Fotoserie "Geschichten aus Bulgarien", auch die unmittelbar gegenüber aufgehängten Neureichen-Porträts Boris Missirkovs und Georgi Bogdanovs - und nicht zuletzt Alla Georgievas sarkastisch satirische Dessous-Plakate mit dem Titel "Alla´s Geheimnis - Kollektion 2000". Hinzu kommen Videos, zudem ein Schaukelpferd, auf dem niemand schaukeln kann: Wege und Irrwege dicht nebeneinander - aber allemal eine Auseinandersetzung wert.

Bis 2. Nov.; geöffnet Di - Sa 10.30 bis 17, So 11 bis 18 Uhr.